Der Schallermann

29-05-2018

Wir hätten nicht gedacht, wie wenig wir in Asien zum Schlafen kommen.

In Nepal sind bis in den späten Abend laute Motorräder unterwegs, dann übernehmen Hunde-Gangs die Straßen und verteidigen lautstark ihre Reviere.

In Indien gibt es nachts Trommler oder laute Meditationsgesänge oder Ghettoblaster, die die gesamte Nachbarschaft beschallen.

Egal, wo wir hinkommen, immer hindert uns irgendetwas am Schlafen.

es sieht so harmlos aus…

In Laos an der Kong Lor Höhle suchen wir uns deshalb eine Unterkunft, die idyllisch direkt am Fluß liegt, weit und breit nur ein kleines Dorf und sonst nur Reisfelder. „Hier kriegen wir bestimmt unsere Ruhe!“ – Fehlanzeige: Im Dorf findet eine Beerdigung statt und es wird zwei Nächte in voller Lautstärke durchgesungen. Tagsüber ist es komischerweise ruhig. Da dämmert uns endlich, dass das kein Zufall mehr sein kann:

Es ist der Schallermann, der uns verfolgt!

Der Schallermann hat einen Lieferwagen mit Equipment und fährt uns immer voraus. An unserer nächsten Unterkunft bereitet er dann alles für die Nacht vor. In seinem Lieferwagen sind z.B.:

  • Hunde, die er nachts um ca. 3 Uhr loslässt, wahlweise auch Katzen,
  • dicke Lautsprecheranlagen, mit denen er uns aus der Nachbarschaft beschallen kann,
  • Tauben, die er uns ans Fenster setzt und die dann dort nachts am Holz schrappen,
  • jede Menge Mücken, die er heimlich in unser Zimmer schickt,
  • Sing-Zikaden, so laut wie ein Auto-Alarm,
  • Wasserpumpen und ähnliche Maschinen, die er nachts vor unserem Fenster betreibt,
  • Sägen, Motoren mit defektem Auspuff und Baumaschinen.

Mit der Zeit werden wir gegen den Lärm abgehärtet, aber der Schallermann greift zu neuen Methoden: Er liebt es, jemanden mit dickem Ghettoblaster in unsere Nähe zu schicken, der dann die ganze Nacht „Test, one, two“ ruft. Oder ins Nebenzimmer einen, der die ganze Nacht lautstark telefoniert. Oder Leute, die sich nachts anbrüllen. Oder Liebe machen. Oder beides.

auch dieses Bild ist sehr trügerisch

Als wir in Jaisalmer in der Wüste übernachten, kommen drei indische Komplizen des Schallermanns mit, die die ganze Nacht Musik auf ihren Handys hören, statt die Ruhe in der Wüste zu genießen.

In Yangon (Myanmar) schickt der Schallermann ein Pärchen ins Kapsel-Hotel, das die ganze Nacht Liebe macht und unsere Kapsel zum wackeln bringt. Und er heuert kleine Verkaufwägelchen an, mit lautem Gebimmel morgens um 5 Uhr. Oder einen Röchler mit nächtlichen Hustenanfällen.

Den Karaoke-Typ, der 3 Tage lang in den Bergen nahe Nong Kiaw schief gesungen hat, haben wir leider auch nie erwischt. Auch ein beliebter Trick: Morgens Feuerchen machen, damit der Qualm in unser Fenster zieht. Oder irgendwelches Klopfen, oder, wenn alles nichts mehr hilft, Mangos auf unser Dach werfen.

In Kambodscha heuert der Schallermann jemanden an, der Nachts anfängt Steine zu klopfen. In Siem Reap organisiert er eine Zeremonie in der Nachbarschaft, in der ein Mönch mit Ghettoblaster 3 Nächte lang Texte rezitiert. Christie versichert uns, dass zu solch einer Veranstaltung alle Nachbarn und Familienmitglieder kommen (müssen) und Geld oder Geschenke mitbringen, so dass diese Veranstaltungen eine Art fund-raising für die Familien sind. Je länger je besser. Aber wir wissen genau: Dahinter kann nur der Schallermann stecken!

Der Schallermann ist länderübergreifend tätig. In Malaysia setzt er uns einen dauertelefonierenden Inder vor die Zimmertür und engagiert im nächsten Ort eine Familie, deren Kinder bis in die Nacht auf einer Metallempore herumspringen.

Aber bis Indonesien unterschätzen wir die Reichweite des Schallermanns: Fünf Moscheen hat er in Cianjur unter Kontrolle, die alle gleichzeitig mehrmals pro Nacht in unsere Richtung schallen. In Borobodur stundenlanges Gebetsgeleiher. Dann in der lokalen Moschee stundenlange, verzerrte Gebetsgesänge. Alah macht dem Treiben mittels Stromausfall ein Ende, doch der Schallermann kontert mit Trommeln.

„Bali ist so touristisch, da kommt der Schallermann nicht hin“, denken wir. Doch in der ersten Unterkunft: nächtliche Gamelan-Musik. In der nächsten Nacht kommt ein unbekanntes Knusperviech, das versucht, sich durch unsere Tür zu fressen.

Wir wissen ja, dass Schlafmangel paranoid machen kann, aber uns bleibt nur noch eine Hoffnung: Dass der Schallermann uns nicht folgen wird, wenn wir Asien verlassen.